Photographik in einer Frankfurter Kunstausstellung

Artikel über die Ausstellung Kleine Hofheimer Dokumenta in Frankfurt 1965; mit Lichtgrafiken von Heinz Hajek-Halke und Kurt Wendlandt und Photografiken anderer Künstler wie Marta Hoepffner.
Von Adam Seide, veröffentlicht in PHOTO-PRESSE, Nr. 27, 1965

„Die kleine Hofheimer Dokumenta“, die auf dem Frankfurter-Messegelände in der Zeit vom 7. bis 30. Mai zu sehen war, ist inzwischen geschlossen. Die Ausstellung wurde halb scherzhaft und halb ernst­meinend so genannt, weil die sehr aktive ,,Hofheimer Gruppe“, ein Künstlerzusammenschluß aus dem Jahre 1961, unter ihrem rührigen Leiter Hermann Krupp nun nach Frankfurt vorgedrungen ist und zu ihren Hofheimer Künstlern Frankfurter, Berliner und Amsterdamer eingeladen hatte. Insgesamt umfaßt die Ausstellung beinahe 400 Arbeiten von etwa 80 Ausstellern. Neben Malerei, Plastik, Graphik ist auch Photographik, Architektur vertreten und sind „Objekte“ ausgestellt, so bezeichnet von den Künstlern, die damit Unterschiede andeuten, ihre Dinge als sehr real, sehr konkret, eben als reinen Gegenstand betrachtet wissen wollen, unterschieden dadurch von der Malerei und der Plastik.

Diese Objekte haben ein beinahe verwandtschaftliches Verhältnis zu den ausgestellten Photographiken. Neben Marta Hoepffner, die schon seit Beginn zur Hofheimer Gruppe zählt, haben erstmals fünf weitere Photographen ihre freien Arbeiten ausgestellt. Es sind das Heinz Hajek-Halke und Kurt Wendlandt aus Berlin, Aart Klein und Albert Seelen aus Amsterdam und der Frankfurter Maler Slutzky, erstmals mit Lichtbild versuchen.

Bei den beiden Holländern Aart Klein und Albert Seelen spielt der photographisch abgebildete Gegenstand noch eine Rolle. Aart Kleins Photographiken sind Kontrastphotos, bei denen der Schwarz­weiß-Kontrast so sehr verstärkt wurde, daß es nur noch zwei ganz unterschiedliche Tonwerte in dem Photo gibt. Die graphischen Elemente werden dann gleichzeitig noch aus den Architekturen, den Häuserrastern, Fensterschluchten, Baugerüsten gewonnen. In diesen geometrischen Gerüsten kommen dann ganz vereinzelt als winzige Pünktchen Menschen vor.

Albert Seelen dagegen bildet Gesteinsstrukturen ab, dabei Kontraste eher nivellierend als verstärkend, die Struktur dann als das Neue, das Ungewöhnliche empfindend, als Parallele zur Malerei, zu den Naturwissenschaften, wo die Struktur, die Erforschung der Struktur, das a priori des Erkennenwollens ist.

Die vier anderen Photographen wenden sich der Erkundung des wichtigsten Mittels der Photographie zu: des Lichtes (hier die Gemeinsamkeit mit z. B. Hermann Goepferts „Lichtreflektoren“). Die Erforschung der eigenen Mittel ist durchaus legitim und wurde in der Malerei schon vor mehr als 50 Jahren begonnen. Das Licht, notwendigste Voraussetzung für die Photographie (eine Binsenweisheit) zu fixieren, festzuhalten, dieses ganz und gar „Ungegenständliche“, dazu bedarf es keiner großen Apparatur. Und so sind die Photographen, was die Präzision der verwendeten Instrumente betrifft, beinahe wieder zu den Anfängen der Photographie zurückgekehrt. ,,Lichtdiebstahlsmalerei“ nannte man damals die erste Photographie sehr hübsch und zutreffend. Auch hier ist es Lichtmalerei, was die vier Photographen treiben: Am weitesten ausgebildet bei Hajek-Halke und Marta Hoepffner. Bei Hajek-Halke in langen Versuchsreihen im Labor mit Leim, Schaum, Terpentintropfen, Anschmelzen der Schicht, ein ausgeprägter Chemismus. Seit Jahren bereits hat sich Hajek-Halke auf dem Gebiet der Lichtgraphik spezialisiert. Bei Marta Hoepffner dem Makrokosmos nachempfunden, der Natur im Labor sozusagen auf der Spur, wissend, daß man das Licht nur an dem Gegenteil, dem Schatten erkennen kann. Ihre Themen kommen durch genau vermerkte und jederzeit wiederholbare Techniken zur Darstellung, sei es als Kristallisation im Interferenzverfahren oder als Montagediagramm mit Kunststoffen, Papieren und Lösungen. Bei Slutzky und Wendlandt ist die Photographik und die Lichtgraphik sehr von der Malerei, von ihren Formen, ihren Formulierungen beeinflußt. Letzterer ist fasziniert von der Möglichkeit, die Materie selbst transparent zu machen „indem ich Licht hindurchschicke und es schreiben, zeichnen und malen lasse“.

Die Malerei und die Photographie sind getrennte Bereiche, die nichts miteinander gemein haben, im Gegenteil, es ist sehr wohl bekannt, daß beide Bereiche sich intensiv gegenseitig angeregt, beeinflußt und durchdrungen haben, und es verdient höchstes Lob, daß sich langsam die Auffassung durchzusetzen beginnt, daß Photographie ein der Malerei ebenbürtiges Medium ist und aus eigenen Mitteln etwas Eigenständiges hervorzubringen imstande ist. Das zeigte die „kleine Hofheimer Dokumenta“ in Frankfurt. Dafür gebührt ihr Lob.